Merle studiert Soziale Arbeit, in ihrem Praxissemester arbeitet sie in einer Grundschulbetreuung. Welche lustigen oder spannenden Fragen ihr dort gestellt wurden, erzählt sie in unserem Interview.
Welche Art von Fragen stellen Grundschulkinder am häufigsten?
Das ist ganz unterschiedlich und kommt auch auf die Kinder an. Oft sind es Fragen zu den Hausaufgaben, also schulisch bedingte Fragen. Aber in der Nachmittagsbetreuung sind es oft auch Fragen wie: „Kannst du mit mir Tischkicker spielen?“ oder manchmal auch private Fragen wie: „Hast du Geschwister?“. Ich denke, die Kinder wollen mich so noch besser kennenlernen und ins Gespräch kommen. In der Betreuung würde ich sagen, dass etwa 50 Prozent der Fragen schulbezogen sind.
Gibt es Fragen, die dich besonders überrascht oder zum nachdenken gebracht haben?
Bis jetzt noch nicht wirklich. Es gibt Fragen zu den Hausaufgaben, bei denen ich nachdenken muss, weil ich auch nicht immer sofort weiß, was die Lehrer von den Kindern erwarten. Aber eine Frage, die mich komplett überfordert hätte, ist bisher nicht dabei gewesen.
Wie gehst du mit sehr vielen Fragen auf einmal um?
Das ist schwierig, weil es oft Situationen gibt, in denen plötzlich mehrere Kinder etwas von mir wollen. Da muss ich den Kindern, die gerade nicht dran sind, klarmachen, dass sie kurz warten müssen. Ich sage dann so etwas wie: „Ich beantworte gerade eine andere Frage und komme gleich zu dir.“ Wichtig ist, dabei ruhig zu bleiben und Struktur reinzubringen, also zum Beispiel darauf zu achten, wer zuerst gefragt hat.
Gibt es Fragen, die du nicht beantworten kannst oder möchtest?
Ja, natürlich. Es gibt Fragen, die ich nicht beantworten kann, weil ich die Antwort nicht weiß. Zum Beispiel wurde ich einmal gefragt, aus was Radiergummis bestehen. Da habe ich gesagt, dass ich es nicht weiß. Mein Lösungsansatz ist dann, die Antwort später nachzuschauen, oder sie direkt zu gegoogeln. In solchen Situationen sagen Kinder manchmal: „Aber du bist doch erwachsen!“ Dann erkläre ich, dass auch Erwachsene nicht alles wissen können. Manchmal gibt es auch zu persönliche Fragen wie: „Wo wohnst du?“ In solchen Fällen sage ich ehrlich, dass ich diese Frage nicht beantworten möchte, und erkläre warum.
Was lernst du persönlich aus den Fragen der Kinder?
Manchmal lerne ich zufällige Dinge, wie zum Beispiel, aus was ein Radiergummi besteht. DieseSolche kleinen Funfacts merke ich mir manchmal. Es ist auch interessant zu sehen, wie einfach Kinder oft denken. Das zeigt mir, dass man das Leben nicht immer zu ernst nehmen sollte.
Wie wichtig findest du Fragen für den Lernprozess der Kinder?
Fragen sind wirklich sehr wichtig. Nur durchs Fragen bekommen Kinder Antworten und entwickeln sich weiter. Besonders bei Kindern ist es schön zu sehen, dass die Hemmschwelle, nach Hilfe zu fragen, oft noch niedrig ist. Kinder kommen einfach auf mich zu, wenn sie etwas wissen wollen, und das finde ich toll.
Wie siehst du die Rolle von Kinderfragen in der sozialen und emotionalen Entwicklung?
Fragen sind essenziell für die Entwicklung der Kinder, weil sie nur durch erfragtes Wissen vorankommen. Gerade im Grundschulalter sind viele Fragen wichtig. Wir als Betreuer:innen müssen manchmal auch selbst hinterfragen, warum ein Kind etwas sagt oder tut, und können so die Selbstreflexion der Kinder anregen. Zum Beispiel: „Warum sagst du das immer?“ oder „Was bedeutet das eigentlich?“. Fragen sind also sowohl für Kinder als auch für Erwachsene wichtig.
Gibt es Fragen, die dir zeigen, dass ein Kind besondere Unterstützung braucht?
Ja, man merkt es oft daran, wie die Kinder ihre Fragen formulieren oder worüber sie Fragen stellen. Zum Beispiel, wenn sie sich schwer ausdrücken können oder besonders oft um Hilfe bitten. Das zeigt, dass manche Kinder mehr Unterstützung brauchen als andere.
Inwiefern hilft dir dein Studium dabei, mit den Fragen der Kinder umzugehen?
Ehrlich gesagt, nicht wirklich direkt. Die meisten Fragen beantworte ich aus meinem eigenen Verständnis heraus. Mein Studium prägt mich natürlich in gewisser Weise, aber es gibt keinen konkreten Leitfaden dafür, wie man Fragen beantwortet. Ich denke, ein gewisses Maß an sozialem Verständnis und Menschenverstand ist entscheidend.
Was sind die größten Herausforderungen bei der Arbeit mit der Neugier und Fragelust von Kindern?
Die größte Herausforderung ist, dass Kinder oft Fragen stellen, auf die man keine Antwort weiß. Das kann unangenehm sein, aber man muss damit umgehen können. Manchmal stellen Kinder auch unerwartete Fragen, die einen überrumpeln. Ein Beispiel: Ich wurde gefragt, ob ich verheiratet bin, nachdem ein Mädchen ein Gespräch mit einem Kollegen mitbekommen hatte. Solche Situationen regen mich dazu an, darüber nachzudenken, wie Kinder die Welt sehen.
Wie schaffst du es, auf die individuellen Bedürfnisse der Kinder einzugehen, wenn sie viele unterschiedliche Fragen stellen?
Ich versuche, auf das Kind einzugehen, das gerade eine Frage gestellt hat. Wenn ein anderes Kind dazukommt, signalisiere ich, dass es kurz warten muss, oder bitte es, zu einem anderen Betreuer zu gehen. Mir ist wichtig, jedem Kind Aufmerksamkeit zu geben, aber ich muss auch Grenzen setzen.
Gab es in deinem Praxissemester Momente, in denen du gemerkt hast, dass eine Kinderfrage auf ein tieferliegendes Problem hindeutet?
Ich selbst hatte so einen Moment bisher nicht direkt, aber von Kolleg:innen habe ich schon ähnliche Situationen mitbekommen. Zum Beispiel hat bei uns in der Betreuung ein Mädchen beim „Mädelstalk“ das Thema Scheidung angesprochen. Das hat mich nachdenklich gemacht, weil sich ein Kind im Grundschulalter normalerweise nicht so intensiv mit solchen Themen beschäftigt.
Hat das Praxissemester dein Interesse an der Arbeit mit Kindern verstärkt?
Ja, auf jeden Fall. Ich habe gemerkt, dass ich langfristig mit Kindern im Grundschulalter arbeiten möchte. Während einer Hospitation im Studium habe ich mit Erwachsenen gearbeitet und festgestellt, dass mir die Arbeit mit Kindern viel mehr liegt. Es macht mir Spaß, Kinder ein Stück auf ihrem Weg zu begleiten und sie zu unterstützen, anständige junge Erwachsene zu werden.
Von: Nele Eichhorn