„Manche Menschen denken, die Zeitung wisse alles“

Christiane Strubel arbeitete von 1989 bis 2017 im Kundendienst des „Mannheimer Morgen“, einer regionalen Tageszeitung. Heute arbeitet sie in der Buchhaltung, immer noch im engen Kontakt mit dem Kundendienst.

Kundenservice fand für mich am Telefon statt. Leute haben zum Beispiel angerufen, wenn sie keine Zeitung bekommen haben, weil sie eine Anzeige aufgeben wollten oder weil sie sich informieren wollten über unsere Anzeigenpreise. Auch die Abopreise, Reklamationen, Reisenachsendungen, kleinere Anzeigen oder Familienanzeigen waren häufige Themen. Alles, was mit dem Abo zu tun hat. Da kamen allerlei Fragen, was sie machen müssen, wie irgendwas funktioniert, wie man ein Abo abschließt. Als dann das digitale Angebot dazukam, insbesondere als die App herauskam, gab es vermehrt Fragen wie sie die App laden oder wie man sie wieder löschen kann.

Also das Übliche war natürlich zunächst rund ums Abo und die Anzeigen und wann sie erscheinen. Ein typisches Beispiel wäre: „Mein Sohn zieht nach Mannheim zum studieren, wo finde ich denn da Immobilienanzeigen?“ Das ist natürlich schon ein paar Tage her, da hat man tatsächlich sowas noch in der Zeitung gesucht. Solche Fragen kamen schon recht häufig, aber das ist ja auch okay, wenn man nicht von hier ist und sich informieren möchte und muss. 

Nein, ich habe mir eigentlich nie gedacht „Ach, wie nervig.“ Aber öfter sind lustige Sachen vorgekommen. Ein Herr hat immer wieder angerufen und nach dem Wetter gefragt. Eine andere Dame, die hat wirklich immer zu einem bestimmten Zeitpunkt täglich angerufen und hat gefragt, wie viel Uhr es ist. Als wir ihr dann die Uhrzeit gesagt haben, hat sie immer gesagt „Ach ja, das ist nett, danke! Ich kann euch sagen, in der Stadt ist wieder die Hölle los.“ Immer genau das, nicht um dieselbe Uhrzeit, aber wirklich jeden Tag (lacht).

Das hatten wir auch, aber oft wussten wir, wie wir weiterhelfen können. Nehmen wir mal an, die Leute wollten den Abfallkalender. Die Leute riefen dann bei uns an, weil sie dachten, dass der Kalender von der Zeitung sei. Beides wurde schließlich zusammen geliefert. Allerdings stammte er nicht von uns, wir konnten dann aber an die Stadt verweisen und da gibt es dann jemand, der wiederum weiß, wer die Kalender verteilt oder wo man die herbekommen kann. Auch im eigenen Haus, da ging es oft um redaktionelle Sachen, bei denen die Leute um Hilfe gebeten haben. Da wusste man ja dann auch zumindest mal die Abteilung, die zuständig für dieses Thema ist.

Ja, manchmal kamen auch Fragen, bei denen man sich dachte, warum rufen sie damit bei der Zeitung an? Vielleicht verbinden Menschen das ja irgendwie, weil ihnen hier schon mal geholfen wurde. Dann denken sie, wir können bestimmt auch nochmal weiterhelfen. Die Leute kommen manchmal mit der Vorstellung, die Zeitung wisse alles. So nach dem Motto: „Da steht ja alles drin, dann ruf ich mal wegen allem dort an.“ (lacht).

Wir hatten früher tatsächlich reine Telefonschulungen, in denen wir gelernt haben, wie man telefoniert. Wie melde ich mich, oder wie stelle ich Fragen? Manchmal weiß man ja auch gar nicht, was möchte der jetzt eigentlich von mir?

Ich musste ja wissen, wie ich eine Person so hingelenkt bekomme, dass sie mir sagt, was sie will, damit ich wusste, wie ich ihr helfen konnte.

Es gab auch Telefonschulungen, die auf richtig verärgerte Kunden bezogen waren. Da ging es drum, wie man jemanden beruhigt, um sich normal zu unterhalten. 

Ich hatte auch schon Kunden, denen ich angedroht habe, dass ich auflege, wenn sie nicht aufhören mich anzuschreien. Das hab ich auch schon zwei-, dreimal gemacht, dass ich dann aufgelegt habe und mir dachte, so nicht. Man kann normal mit mir sprechen, aber man muss nicht schreien, schon gar nicht, wenn die Zeitung zum dritten Mal nicht ankam. 

Das kam tatsächlich recht häufig vor, da riefen dann Menschen an, erzählten und erzählten und du wusstest gar nicht, was wollen sie denn jetzt. Also oftmals habe ich dann die Frage gestellt: „Wie kann ich ihnen genau weiterhelfen und was ist ihre Frage? Ich habe verstanden, Sie haben zum Beispiel eine Mahnung, eine Rechnung, aber was möchten Sie von mir wissen? Was ist Ihre Frage?“ 

Es gibt manchmal Leute, die haben nicht zugehört. Die haben dann meine Frage nicht gehört, oder wollten sie nicht hören und haben immer weiter gesprochen. Ich habe ja nicht unterbrochen, aber irgendwann war die Person fertig und dann habe ich einfach nochmal gefragt. Manchmal ging es dann weiter und ich wusste immer noch nicht, was die Person wollte. 

Oft rufen Leute glaube ich an, die wollen wirklich alles loswerden, in der Hoffnung, dass man dann etwas damit anfangen kann. Manche sind dann bestimmt auch aufgeregt, weil sie im Kopf haben, was sie uns alles sagen möchten.

Ich glaube gar nicht, dass das böse gemeint war, dass sie absichtlich nicht zugehört haben, sondern oft musste einfach alles unter Aufregung raus sprudeln.

Da kommt es drauf an, wie du den Leuten begegnet bist. Manche haben angerufen, waren sauer und haben dann sowas gesagt wie: „Das und das wollte ich Ihnen sowieso schon die ganze Zeit sagen!“ Da hast du dann natürlich erst mal zugehört. Manche waren dann ja auch gleich fertig, manche haben aber auch noch weiter geredet. 

Wenn beispielsweise zum dritten Mal die Zeitung nicht da ist, trotz Reklamation und Beschwerde, dann ist man da schon ein wenig verärgert, das verstehe ich. 

Wir haben dann immer gesagt, dass es uns leid tut. Dann haben die Kunden gemerkt, dass jemand Anteil nimmt. Auch wenn es nur die Zeitung war, die gefehlt hat, aber sie haben gemerkt, dass sie ernst genommen werden und nicht irgendwie vertröstet. Das hat oft gewirkt. Anfangs haben wir uns ein bisschen gesträubt, weil wir uns dachten, dass wir nichts dafür können. Wieso sollte mir das also leid tun? Allerdings tut dies den Kunden anscheinend gut, sie sind dann ein Stück weit befriedigt und das ist, worauf es ankommt. 

Es gab wirklich nur ganz selten die Situation, dass ich aufgelegt habe. Ansonsten habe ich nicht so unangenehme Gespräche in Erinnerung.

Also bei offenen Fragen schon, wenn man mehr als ein Ja oder Nein haben möchte als Antwort, weiß man, wie man das anstellt. Im normalen Leben greift man aber meistens doch nicht drauf zurück. Vielleicht kommt das auch auf die Situation an, ob man dann dran denkt, oder nicht.

Bestimmt habe ich von den Telefonschulungen etwas mitgenommen, was ich so in den Alltag integrieren kann. Man macht sowas ja meistens nicht bewusst. Also irgendwas bleibt immer hängen. Umsonst war bestimmt keine dieser Erfahrungen.