Dominic Mohns ist Lehrer für Physik und Chemie an der Georg-Büchner-Schule in Rodgau, Jügesheim und erzählt, wie sich Lehrer den “Fragen zu Fragen” stellen.
Wie definierst du eine gute Frage?
Eine gute Frage ist immer dann gut, wenn klar wird, dass sich der oder die Fragende mit dem Thema beschäftigt hat.
Welche Rolle spielen Fragen für dich im Bildungsalltag, also sowohl bei Lehrern als auch bei Schülern?
Bei Schülern hast du relativ schnell eine Kontrolle darüber, ob sich jemand mit dem Thema auseinandergesetzt hat oder einfach nur die Frage vom Blatt liest und noch nicht mal versucht hat, die Frage zu beantworten und dann beim Lösungsweg irgendwie auf ein Problem gestoßen ist. Ich kann anhand einer Frage auch sehen, was die Schülervorstellung davon ist. Ein Beispiel: In meiner siebten Klasse Physik geht es um Lichtbrechung. Und dann war irgendwann eine Frage von einer Schülerin: “Kann ich denn hören, wenn das Licht bricht?” Ihre Vorstellung war sicher, wenn ich ein Lineal durchbreche, höre ich das, aber kann ich das auch hören, wenn das Licht gebrochen wird? Das ist eine interessante Schülervorstellung. Ich stelle mir dann immer die Frage, was in den Köpfen der Schüler vorgeht.
Was ist für dich im Kontext Schule der Unterschied zwischen einer offenen und einer geschlossenen Frage?
Bei einer geschlossenen Frage ist die Wahrscheinlichkeit, dass die Antwort richtig ist, bei ungefähr 50%. Hilft mir aber auch nicht weiter, irgendwie das Thema zu durchzubringen. Daher sind offene Fragen besser.
Inwiefern?
Du hast nicht vorgegebene Antworten A oder B, sondern die Schüler müssen sich selbst überlegen, was eine Antwort sein könnte. Und da musst du irgendeinen Weg gehen. Manchmal klappt es, manchmal biegst du unterwegs falsch ab und manchmal rennst du von Anfang an in die falsche Richtung. Aber du musst selbst einen Weg gehen. Mit offenen Fragen wünsche ich mir auch, dass die Schüler ein bisschen zeigen können, dass sie sich mit der Materie auseinandergesetzt haben. Dabei ist natürlich klar, dass ein Schüler meistens nicht so tief drin ist, wie ich als Lehrer.
Wie fördert man als Lehrer diese Fähigkeit von Schülern, gute Fragen zu stellen?
Wie gut das durchdrungen wird, hängt bei uns schon so ein bisschen davon ab, in welchem Zweig wir uns bewegen. Natürlich ist der Anspruch in der Hauptschule ein anderer als im Gymnasium. Dort kann ich nicht die höchsten Ansprüche haben.
Im Gymnasium kann ich das schon verlangen und ich muss halt einfach fordern, dass man sich mit dem Thema auseinandersetzt.
Gibt es auch Fragen, die Schüler häufiger oder seltener stellen sollten?
Naja, wenn ich irgendwo nicht mehr mitgekommen bin, wäre es genau der Zeitpunkt, eine Frage zu stellen und es mir nochmal erklären zu lassen. Und im besten Fall nicht, wenn die Klassenarbeit ansteht, die Frage stellen: “Ich habe da noch eine Frage?”. Dann frage ich meistens, zu was denn genau noch eine Frage offen ist. “Zu allem!”. Also bitte alle Unklarheiten vorher äußern.
Wie ist es aber, wenn Schüler:innen eine richtig schwierige Frage stellen?
Wenn man lange genug Lehrer ist, kennt man quasi jede Frage, die sich irgendwie ergeben könnte. Wenn es eine Frage ist, die komplett out of range ist, sollte man ehrlich sein und sagen: “Top Frage, habe ich aber keine Ahnung, muss ich nachlesen”, bevor man irgendeinen Mist erzählt. Das merken die Schüler.
Wenn man aber die Antwort weiß und es eine tolle Frage ist, kann man sie natürlich auch zurückgeben und Hilfestellungen oder kleinere Tipps geben, damit die Schüler und Schülerinnen sich die Fragen selbst beantworten können. Das kann dem Selbstbewusstsein der Schüler natürlich einen Boost geben.
Hast du eine Lieblingsfrage, die du immer wieder im Unterricht stellst?
Oft ist es: „Warum ist das so?” Das ist eine offene Frage und man muss darüber nachdenken. Das sind die besten Fragen.
Kinder verbringen sehr viel Zeit in der Schule. Man hat als Lehrer diese pädagogische Rolle, aber auch eine erzieherische Rolle. Wo setzt man als Lehrer die Grenze zwischen Lehrfragen und Erziehungsfragen, bzw. Erziehungsmaßnahmen?
Im Schulgesetz steht zwar drin, dass wir einen Erziehungsauftrag haben, aber wir sind keine Verwahrstelle für Kinder. Also da gibt man seine Kinder ab und am Ende kommt ein top erzogenes Produkt raus. Das wird nicht passieren. So ein bisschen Mitarbeit zu Hause brauchen wir schon. Sogar eher mehr, weil die dann doch die meiste Zeit nicht in unserer Obhut sind. Und wenn zu Hause ein problematisches Verhalten vorgelebt wird, wird es schwierig.
Wenn ich eine Klasse zwei Stunden pro Woche in einem Nebenfach unterrichte, ist es optimistisch zu glauben, dass ich da eine Tiefe Beziehung zu ihnen aufbaue.
Wenn ich aber eine Klassenleitung habe, sollte ich mich schon grob mit meinen Schülern und Schülerinnen auseinandersetzen und so grob wissen, was da abgeht. Teilweise haben die Schüler auch wenig Interesse an Kontakt mit einer Lehrperson. Die wollen nur Wissen von mir haben. Wenn ich in eine Realschule oder Hauptschule gehe, wo die Familienverhältnisse vielleicht nicht ganz so geordnet sind, müssen die Schüler eher auf einer Beziehungsebene abgeholt werden. Da muss ich mich noch mehr um sie kümmern.
Gibt es dann auch Methoden oder Techniken, die man sich als Lehrer aneignen kann, um bessere Nachfragen im Unterricht zu stellen?
Sobald du Interesse geweckt hast, klappt der Unterricht viel besser. Interesse kannst du wecken, indem du das Thema in den Schulalltag bringst. Das funktioniert manchmal besser, manchmal schlechter. In Naturwissenschaften hast du da meistens Glück. Wenn ich versuchen soll, eine Ableitung in Mathematik in meinen Alltag zu integrieren, wirkt es vielleicht schon konstruiert. Du musst es irgendwie schaffen, die Frage, die du bearbeiten willst, in die Lebensrealität von den Schülern zu transferieren. In Chemie kannst du bei einer exothermen Reaktion sagen. Du bist auf einer Insel gestrandet und hast selbst erhitzende Nahrung. Da schütte ich Wasser rein und es kocht. Wie kann das sein? Dann haben die Schüler direkt eine Assoziation zu “7 vs. Wild”.
Welche Frage würdest du, nicht als Lehrer, sondern als Person, gerne häufiger gestellt bekommen?
Eigentlich kann ich mich nicht auf eine bestimmte Frage eingrenzen. Ich unterrichte ja in jeder Klasse jede Woche was anderes. Ich mache nicht immer das Gleiche. Aber ich kann es auf einen Typ eingrenzen: Gut ist immer, wenn jemand das Problem erkannt hat und versucht in der Frage integriert herauszufinden, wie das Phänomen zustande kommt. Oder sich irgendwie bei der Frage schon auf den richtigen Weg begeben hat und dann noch Hilfe auf dem Weg braucht. Das ist das, was am meisten Spaß macht.
Von: Timm Mielech