„Ich möchte, dass Sturm im Gehirn der Leute herrscht“

Bei Auftritten schreit er sein Publikum an, er dreht den Leuten den Rücken zu, wenn sie ihm nicht den nötigen Respekt zeigen und er singt Songs über Weltuntergang und Teufelsbeschwörungen. Er bringt sein Publikum dazu zu lachen und gleichzeitig in Frage zu stellen, was sie da sehen.

In einem Videocall erklärt er, warum seine Kunst die Emotionen der Menschen in zwei gegensätzliche Pole schlagen lässt. Manche faszinieren seine Auftritte, bei anderen werfen sie nur Fragen auf.

Es ist eigentlich nicht wirklich so, dass ich mir Fragen stelle. Es ist eher eine Art Selbstüberprüfung, ob ich grade wirklich voll da und wach bin. Manchmal passiert das zehn Minuten vor dem Auftritt. Da gehe ich zum ersten Mal in mich und frage mich: Wie geht es mir eigentlich heute? Bin ich grade da? Spüre ich mich überhaupt? Wenn ich mich nicht spüre, versuche ich mich irgendwie reinzubringen, meine Muskeln anzuspannen, mich zu fokussieren und ein bisschen Spannung in meinen Körper zu bekommen.

Viele Comedians betrachten Themen, die sie auf der Bühne rüberbringen wollen, als Beute. Sie beobachten irgendwas, und dann denken sie „Ah, das ist Comedy Gold, was ein Glück, dass mir das passiert ist, da muss ich jetzt auf jeden Fall was draus machen.“ Bei mir ist das anders, ich kann nicht über Sachen schreiben, die mich nicht in irgendeiner Form emotional bewegen. Wenn ein Gedanke schon länger in meinem Kopf arbeitet, fügt sich das schon fast schicksalhaft zusammen. Wenn mir dazu dann etwas auffällt oder passiert. Bei diesem Duschgel-Song war das so, dass mich das ganze Überthema beschäftigt hat und dann kam diese Beobachtung. Das Thema ist also nicht für mich entstanden, weil ich die Duschgels gesehen habe, die waren eher eine weitere Bestätigung. Und dann dachte ich: Sowas Lächerliches wie Duschgel wäre ja eigentlich perfekt, um das Thema Suizid und unterdrückte Gefühle in einem Comedy-Kontext rüberbringen zu können.

Ich stelle nicht die Kunst in Frage, sondern eher, ob ich am richtigen Ort bin, mit dem was ich mache. Bei den Jungs geht es vor allem darum, die Leute mit ihrem Stand-Up zum Lachen zu bringen, während ich ja etwas völlig anderes mache. Da geht es dann auch um die Haltung, mit der man auf die Bühne geht. Ob man sich als Dienstleister sieht, der die Leute zum Lachen bringen will, oder ob man auf der Bühne ist, um zu zeigen, was man macht. Bei meiner Solo Tour war das super harmonisch, da war das Publikum ja wirklich wegen mir da, aber auf der letzten Tour waren die ersten Auftritte wie ein Schlag ins Gesicht. Ganz viele Leute waren wegen unserer Bewerbungsgespräch-Clips da. Bei denen schlüpfen wir alle in verschiedene Rollen und machen nicht wirklich unser eigenes Ding. Da war es nicht so deutlich klar, wie wir persönlich drauf sind. So wussten umso weniger Leute, was ich auf der Bühne mache und was meine Kunst ausmacht. Manchmal herrscht dann so ein allgemeines Zweifeln und Unwohlsein, weil man den Leuten vielleicht auch nicht das geben kann, was sie wollen. Das fühlt sich nicht gut an. Gleichzeitig weiß ich aber auch, dass ich mein Ding durchziehen muss, weil es mir sonst keinen Spaß macht.

Sehr, sehr oft. Eigentlich bin ich die ganze Zeit in einem Prozess und reflektiere über das, was ich mache. Als ich mein Special rausgebracht habe, war ich total stolz. Jetzt nach einer Zeit bin ich schon wieder so in einer neuen Gedankenwelt drin, dass das, was ich in einem Moment rausgebracht habe, im nächsten schon nicht mehr State of the Art ist. Das ist irgendwie so tragisch. Dieses permanente Zweifeln ist aber auch wichtig, denn nur dadurch kann ein Fortschritt entstehen. Nur so kann man sich immer weiterentwickeln. Das gehört dazu und ist für mich nichts Negatives, sondern eher eine Grundvoraussetzung, um etwas Spannendes und Authentisches auf der Bühne abzuliefern.

Das kann ich mir meistens recht gut selbst erklären. Da trifft eine Erwartungshaltung auf ein falsches Angebot. Manche Leute wollen einen lustigen Typen, der Stammtischwitze macht und nicht jemanden wie mich, der etwas von ihnen fordert. Das prallt dann aufeinander. Ich habe das große Glück, mein Publikum gefunden zu haben. Jetzt nicht in großen Massen, aber es gibt ein Publikum, das zu meinen Soloshows kommt und meine Auftritte auch bei 4 Feinde sehr wertgeschätzt hat. So fällt es mir dann leichter, Leute einzuordnen und das dann ganz klar zu trennen, um das möglichst nicht persönlich zu nehmen.

Bei einem Auftritt während einer Mixed Show mit verschiedenen Künstlern ist Sebo der letzte. Das Publikum hört ihm nicht zu und zeigt ihm nicht den nötigen Respekt. Er fordert das Publikum auf mitzumachen, nicht zu reden und zuzuhören, doch nichts passiert. Sebo dreht sich um und sitzt zehn Minuten mit dem Rücken zum Publikum. Auf seinem YouTube Kanal findet man davon ein Video mit dem Titel: „Die ikonographische Abkehr des Sebo Sam“.

So ein Auftritt wie in dieser Mixed Show nimmt einen psychisch schon mit. Klar fällt es mir da leichter, das Publikum einzuordnen. Solange ich mir das finanziell leisten kann, versuche ich solche Situationen aber zu vermeiden, weil das psychisch wirklich hart ist.

Emotional lässt mich das nicht kalt, aber ich kann es dann im Nachhinein gedanklich sehr gut einordnen, sodass es nicht zu einer tiefergehenden Verzweiflung kommt. Es ist dann eher eine Niedergeschlagenheit, eine emotionale Aufgewühltheit, die sich dann aber nach ein paar Tagen wieder legt.

Ich freue mich, wenn die Leute gedanklich was mit nach Hause nehmen. Also ich sehe mich jetzt nicht als Aufklärer, aber ich will die Leute ein bisschen schocken und ihnen zeigen, was möglich ist. Ich möchte, dass Sturm im Gehirn der Leute herrscht, wenn sie aus meiner Show kommen. Ich will, dass sie sich hinterfragen und neue Bewegung in alte Denkmuster kommt. Am Ende geht es um Freiheit und Mut. Mut, sich keine Grenzen zu setzen für das, was möglich ist und den Mut zu haben, sich die Freiheit auch zu nehmen.

Ich versuche immer wieder neue Dinge so zu tun, dass man mich langfristig mit gar nichts mehr in Verbindung bringen kann. Mein Ziel ist, dass man irgendwann ein ultralanges, komisches Wort bräuchte, um zu beschreiben, was ich mache. Sodass man weder sagt, ich bin Musiker noch Comedian. Dass man das, was ich mache als etwas Eigenständiges wahrnimmt.