Millionen Zuschauer fiebern jede Woche mit, wenn Günther Jauch die Fragen stellt – doch was steckt hinter den Quizfragen? Das Fragwürdig-Magazin klärt auf!
Durchschnittlich 3,35 Millionen Zuschauer sehen im Jahr 2024 eine Folge von „Wer wird Millionär?“. Mit „WWM“ sind gleich drei Quizshows unter den Top 10 der meistgesehenen Sendungen im deutschen Fernsehen im Jahr 2024. Ein Grund für die hohen Zuschauerzahlen dürfte der Unterhaltungsfaktor sein, denn die Zuschauer vor dem Fernseher rätseln und fiebern mit.
In den 25 Jahren des Bestehens wurden über 1.700 reguläre Shows und fast 50 Prominenten-Specials ausgestrahlt. Dabei haben mehr als 3.400 Kandidat*innen auf dem „heißen Stuhl“ vor Günther Jauch Platz genommen. Der Kultmoderator fehlte übrigens nur in einer Sendung krankheitsbedingt und hat seit der Erstausstrahlung rund 1.000 verschiedene Anzüge getragen. 15 Mal wurde die Millionenfrage richtig beantwortet. Im Gegenzug gab es 34 Teilnehmer*innen, die mit leeren Händen nach Hause gegangen sind.
Aber: Wie entstehen die oft kuriosen und sehr durchdachten Quizfragen?
Der Kopf hinter Jauchs Fragen
Harald Valder ist der Kopf hinter den Fragen von „Wer wird Millionär?” Seit fast 30 Jahren denkt er sich Fragen für Quizformate aus. Der 56-Jährige hat Geografie, Botanik und Zoologie studiert. Heute ist er der Redaktionsleiter und Geschäftsführer der „mind the company GmbH“ in Köln. Das Unternehmen betreut über 40 Quizformate und beliefert sie mit Fragen und Antworten. Dazu gehören neben „Wer wird Millionär“ auch bekannte TV-Shows wie „5 gegen Jauch“ oder „The Wheel“.
Wie ist er zu diesem Beruf gekommen? In einem Interview mit der Zeitschrift “Brigitte” erzählt er:
„Kurz nach Abschluss meines Studiums hing an meiner Zimmertür in der Studenten-WG eine aus der Zeitung herausgerissene Stellenannonce: ‘Quizredakteur/in gesucht‘. Ich habe mich beworben und einen Monat später in der ‚Jeopardy!‘-Redaktion angefangen. Meinen Mitbewohnern bin ich heute noch dankbar für diesen Wink mit dem Zaunpfahl. Das wäre übrigens auch der Fall, hätte der Annoncentext ‘Tierpark sucht Mitarbeiter/innen’ gelautet.“
Ein strenges Auswahlverfahren
Für die Auswahl der Fragen gibt es eine strenge Reihenfolge. Die Redakteure überlegen sich Fragen und die dazugehörigen richtigen und falschen Antworten. Für jede Antwort müssen zwei Quellen gefunden werden, die dann mit einer Datenbank abgeglichen werden, um Dopplungen zu vermeiden. Für die Kriterien, wie schwer eine Frage ist und für welchen Geldbetrag sie eingesetzt wird, gibt es eine spezielle Software. Diese vergleicht die Fragen mit den bereits Vorhandenen. Der Redakteur schlägt aber auch selbst einen Schwierigkeitsgrad von eins bis zehn vor und bespricht diesen mit seinem Team in der wöchentlichen Redaktionssitzung. „Speziell bei den eher leichten, lustigen Fragen wird gegebenenfalls gemeinsam nach witzigen Alternativen gesucht“, erklärt RTL der Nachrichtenplattform Mannheim24. Dieser detaillierte Prozess stellt sicher, dass jede Frage sowohl den Anforderungen des Spiels als auch den Erwartungen der Zuschauer gerecht wird.
Die Fragen werden gerne untereinander oder im privaten Umfeld ausprobiert. Dabei kommt es vor allem darauf an, ob die Antwort richtig oder falsch ist und wie der Weg zur Lösung aussieht. Kommt die Antwort wie aus der Pistole geschossen? Welche Überlegungen führen zur Antwort? Können die falschen Alternativen ausgeschlossen werden? Wie groß ist die Freude, wenn die Antwort richtig ist? Wie groß ist der Ärger, wenn sie falsch ist? All das bestimmt den Schwierigkeitsgrad und wie sehr Zuschauer zum Mitraten animiert werden.
Neugier statt Expertenwissen
In der Redaktion gibt es nicht den einen Experten pro Fachgebiet. Im Gegenteil: Die besten Quizfragen entstehen laut Harald Valder oft dann, wenn sich jemand ohne detailliertes Vorwissen, aber mit viel Neugier einem Thema nähert.
Die Fragen decken die verschiedensten Themengebiete ab: Von Geschichte über Geografie, Wissenschaft und Popkultur bis hin zum aktuellen Zeitgeschehen. Dabei achten die Redakteure darauf, dass die Fragen eine breite Zielgruppe ansprechen und die kulturelle Vielfalt berücksichtigen. Um die Sendung attraktiv und relevant zu halten, werden regelmäßig Fragen zu aktuellen Ereignissen und Trends entwickelt. Erst kürzlich stellte Günther Jauch eine Frage zum Dubai-Schokoladen-Trend, zu der die Kandidatin den Publikumsjoker heranzog. Das Publikum war sich dann doch sehr einig und die Frage wurde richtig beantwortet .
Mehr als 165.000 Fragen befinden sich derzeit im WWM-Pool und mehr als 40.000 davon wurden bereits gespielt. Natürlich bekommen Valder und sein Team auch zahlreiche Fragen von Fans der Shows zugeschickt. Verwenden dürfen sie diese aber nicht. Viel zu groß sei die Gefahr, dass einer der Fans selbst einmal Kandidat wird und die Frage gestellt bekommt, die er selbst eingeschickt hat.
Betrug um die Millionen
Nur allzu selten passieren während einer Sendung Fehler. Der gravierendste ereignete sich im September 2001 in der britischen Variante „Who Wants to Be a Millionaire“. Charles Ingram steht vor der Millionenfrage. Er legt sich auf eine Antwort fest – und entscheidet sich in letzter Sekunde um. Schon oft ist er so mit einem blauen Auge davongekommen. Die Zuschauer lieben diesen unbekümmerten Glückspilz, der dann tatsächlich auch die Millionenfrage richtig beantwortet. Doch die Glückssträhne entpuppte sich später als Skandal. Begleitet wurde Charles von seiner Frau Diana Ingram. Sie wuchs in einer Quizzer-Familie auf und hat sogar einen Ratgeber darüber geschrieben, wie man die besten Chancen hat, an der Quiz-Show teilzunehmen und sie zu gewinnen. Auffallend war ihr häufiges Husten während der Runde ihres Mannes. Zufälligerweise nahm am selben Tag auch ein Freund des Ehepaars an der Show teil. Auch er hustete verdächtig oft. Als sich später herausstellte, dass das Ehepaar die Millionen ergaunert hatte, wurde ihnen das Geld wieder aberkannt und sie wurden zu 18 Monaten Gefängnis verurteilt. Der Fall wurde im Jahr 2020 als die Miniserie „Quiz“ veröffentlicht und ist im Spotify-Podcast „Skandal Skandal“ zu hören.
Alltagssituationen führen zu kuriosen Fragen
Aber werden jemals alle Fragen aufgebraucht sein? Harald Valder sieht das so: „Natürlich fragt man sich anfangs unweigerlich, ob nicht einmal alles Wissen dieser Welt erfragt worden ist. Aber dann stellt man fest, dass jeden Tag irgendwo auf der Welt wieder neue Fragen ‘nachwachsen’.“ Oft sind es einfache Alltagssituationen, die ihn inspirieren. Das kann so ziemlich alles sein: Die violette „Urmöhre“, die es am Gemüsestand auf dem Wochenmarkt zu kaufen gibt, oder der Hüftschnupfen, den sich das eigene Kind eingefangen hat.
Von: Nina Freudenreich